Tag 6/2: Was sonst noch geschah

Was für ein Tag. Schon das Frühstück war voller Leben, offenbar gastiert hier im Hotel eine französische Schulklasse auf Abschlussfahrt. Jedenfalls wurde das Buffet kurz vor 9:00 Uhr von gut 20 französisch sprechenden Teenies gestürmt (wie nennen unsere westlichen Nachbarn diese Altersklasse eigentlich? Wo sie doch Anglizismen meiden wie der Vampir den Knoblauch?), alles sehr gesittet und ruhig, kein Problem. Schwierig nur, dass die Hotelleitung von diesem Umstand offenbar so überrascht wurde, dass binnen 10 Minuten selbst grundlegende Utensilien ausgingen: Keine Tassen mehr, keine Gläser mehr, keine Teller mehr, kein Orangensaft mehr, kein Brot mehr. Glücklich, wer sich zwei Minuten vorher alles nötige in üppigen Mengen mit an den Tisch genommen hat.

Dann los zum OK. Das übrigens nicht „Ohkäi“ ausgesprochen wird sondern ganz teutonisch „Ohkah“. Kommt von „Offenes Kulturhaus“. Das OK ist zum einen Museum für zeitgenössische Kunst, zum anderen einer der Knotenpunkte der Ars Electronica. Über mehrere Stockwerke verteilt sich die „CyberArts“ Ausstellung, eine äußerst spannende und auch witzige Sammlung von Exponaten eben im Rahmen der AE. Details dazu muss ich verschieben, vermutlich bis zu meiner Rückkehr. Im Moment bleibt keine Zeit, die Dinge angemessen aufzubereiten und einiges im Detail anzureißen. Geübtere Autoren mögen über meine Ineffektivität nur müde lächeln, aber es braucht doch etwas Zeit, aus den vielen Eindrücken ein linguistisches Surrogat zu köcheln. Jedenfalls, der Plan ist, nach der Rückkehr (vermutlich Ende der Woche) in Ruhe einen individuell selektierenden Überblick über den gestrigen Tag nachzureichen. Man möge es mir verzeihen.

Nächster Halt: Auf den Dächern von Linz! Die Ars Electronica nur örtlich tangierend gibt es zur Zeit einen kleinen Höhenweg über OK, ein Einkaufszentrum und irgendeine Marienodersonstwiekirche. Der Weg auf Holzstegen gebaut, teils über tiefe urbane Schluchten führend, in einen Turm aus Holzbalken gipfelnd. Ein kleines Abenteuer, wenn 20 Meter über den Dächern der Wind etwas aufflaut und die Bohlenkonstruktion leicht ins Schwanken gerät. Achja, und begleitet wurde der Weg von insgesamt 500 überdimensionalen Ameisen, deren Beine der Künstler (ich glaub irgendein Spanier) alle einzeln aus dünnen Holzstäben gebastelt hat. Die arithmetisch Versierteren mögen sich selbst errechnen, wie viele Büsche dafür sterben mussten und wie viel günstiger es gewesen wäre, die Beine in China aus Weichmacher-getränktem Kunststoff herstellen zu lassen.

Nach einem kurzen Mittagsimbiss der weite Weg bis zur Tabakfabrik, vom Hotel aus gesehen sind das fast 40 Minuten zu laufen. Und wer jemals beobachtet hat, wie ich versuche den Zug noch zu erwischen, der weiß dass die Vokabel „laufen“ nahezu treffender ist als das die Gangart vermutlich exakter umschreibende „Gehen“. Egal, der Weg hat sich mehr als gelohnt, schon allein wegen des japanischen Robotertanzes. Details hierzu gab’s schon, also bleibt noch die zweite bemerkenswerte Episode zu beleuchten. Ein Computerspielmuseum! Als Landei bin ich erst recht spät in die Materie gestartet und auch bis heute kein wirklicher Gamer geworden. Aber das eine oder andere kennt man von Schulfreunden oder aus der Presse, das meiste davon und noch viel mehr findet sich in besagtem Museum. Sehr cool, ich konnte sogar kurz Sonic 1 auf dem Mega Drive spielen, das war damals mein Einstieg! Dass in der Tabakfabrik auch noch eine Ausstellung namens „Shizophrenia Taiwan 2.0“ beheimatet ist, soll an dieser Stelle nur kurz angerissen werden. Auch hierzu folgen noch ein paar Bilder und Sätze. Geduld, mein junger Padawan.

Danach und als erstes „highlight“ des Abends die Linzer Klangwolke. Eine riesige Veranstaltung direkt an der Donau, ich sag jetzt einfach mal 100.000 Besucher, Großbildleinwände und Lasershows und Lichterzeugs und Feuerwerk und schwimmende Fackeln auf dem Wasser. Also eigentlich alle Zutaten für eine mitreißende Show gegeben. Mir ist aber eher nach Mantel des Schweigens zumute, denn was Drehbuchautor und Regisseur aus diesem Arsenal an Großraumtechnik gemacht haben, ist mit „peinlich“ noch recht wohlwollend umschrieben. Heieiei. Am schlimmsten fand ich die Laserfinger im 90er-Jahre-Großraumdisko-Stil.

Also weiter wieder zum OK, hin zur Open Air Aufführung der Kurzfilmfestivalpreisträger. Und wie immer mit sehr spannenden und beeindruckenden Teilnehmern. Das lässt sich natürlich nicht wirklich beschreiben, wer mehr Interesse hat, möge das Internet bemühen und z.B. auf Youtube nach Clips suchen. Die Bandbreite war wie immer groß, von gestrickten Handpuppen über Computeranimationen und Strichzeichnungen bis zu Dokus von real existierenden Großbildprojektionen in Weimar. Und natürlich wieder mal ein Video von Björk… Wie immer einer der schönsten Programmpunkte in den 5 Tagen.

Tja, und anschließend (mittlerweile war Mitternacht überschritten) dann der Beginn des Nachtprogramms. Die ganze Stadt voller Partyfolk, viele Kneipen und diverse musikalische Darbietungen. Aber nach einem kleinen Imbiss bei McDonalds waren die Batterien irgendwann erschöpft. Ein äußerst ereignisreicher und belebter Tag ging schließlich doch seiner Neige entgegen und die inneren Lichter taten es den Scheinwerfern an der Donau gleich. Also zurück zum Hotel, ein letztes Schlummerbierchen und dann den Rest der Nacht zur notdürftigen Wiederherstellung der Kräfte nutzen. Es kommt ja noch der Sonntag…

Zurück