Tag 6/1: Die Poesie des Gegensatzes

Wie soll man etwas beschreiben, das selbst keine Worte braucht. Wie unbeholfen klingen oft Beschreibungen von Musik, Tanz oder Bildern. Welch anmaßender Gedanke, Klänge, Bewegungen oder Farben in Worte fassen zu wollen. Noch dazu, wenn einem eigentlich die Sprache verschlagen wurde. Weil ich heute aber ein für mich absolutes Highlight erleben durfte, will ich es mit den dürftigen Mitteln der Sprache dennoch versuchen. Vielleicht lässt sich zumindest die Besonderheit des Moments andeuten. Also, worum ging’s?

Um eine Tanzperformance eines japanischen Tänzers (die besser Informierten mögen mir meine Ignoranz verzeihen, falls der gute Mann weit über die Grenzen des Nipponreichs hinaus bekannt ist) mit einem Industrieroboter. Also halt mit so einem Ding, das wie ein superbeweglicher Arm aussieht und das man von Dokumentationen á la „wie ein Auto entsteht“ oder „Fließbandschweißen leicht gemacht“ kennt. Das Szenario ganz minimalistisch: in der alten Tabakfabrik in einem leerstehenden Industrieraum. Alles abgedunkelt, die Bühne schwarz, rechts die Maschine und links der ebenfalls in schwarz gekleidete Tänzer. Von oben je ein Spot auf die beiden Protagonisten. Die 30-minütige Darbietung zu einem großen Teil begleitet von zarten Klängen eines lyrisch gespielten Pianos.

Hm, und jetzt isses echt schwer, irgendwie was passendes zu schreiben. Jedenfalls hatte ich in der halben Stunde mehrmals Gänsehaut (ich schwör!) und am Ende ließen sich die Zuschauer zu standing ovations und lauten Jubelschreien hinreißen. Was war passiert? Naja, der Typ hat sich bewegt (irgendwas zwischen Ausdruckstanz und modernem Ballett) und der Roboter halt auch. In einer unglaublichen Synchronizität und einem nahezu perfekten Timing ergaben sich Momente, die einen vergessen ließen, dass da rechts nur eine Maschine steht. Zum Beispiel, wenn der Tänzer leicht schwankt, sich nach vorne fallen lässt und der Roboter ihn mit einer sanften Armbewegung fast intuitiv auffängt. Oder wenn der menschliche Partner zusammenbricht, dann regungslos am Boden liegt und die Maschine mit dem Strahl einer selbsgeführten Taschenlampe (die Metapher „Augen“ funktioniert in einem dunklen Raum phantastisch gut) versucht zu verstehen, was da eben passiert ist. Oder wenn beide eine Art Duett tanzen, in dessen Verlauf sie sich berühren, vorsichtig abtasten, die Taschenlampe von Hand zu Hand geben.

Wie gesagt, schwer zu beschreiben, welche Atmosphäre entsteht. Das Technikdingsbums sieht wirklich rein technisch aus, wie in besagten Reportagen auf N24 oder in der Sendung mit der Maus. Aber durch die Interaktion entsteht dermaßen intuitiv das Bild von Leben und „die kennen sich bestimmt schon lange“ – das hätte ich nicht erwartet.

Bilder gibt’s davon keine, macht eh keinen Sinn, außerdem war es viel zu dunkel. Vielleicht sind Worte hier sogar noch die beste Notlösung…

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