Tag 4: Linz – Wir sind hier

Was soll man da noch sagen: strahlender Sonnenschein, ein Zug fast für mich alleine, kurz vor zwölf in Linz und das Hotelzimmer war schon fertig. Dazu das Gefühl von Angekommensein und ein Zimmer mit Wintergarten. Also sitz ich grad gemütlich im Gartenstuhl, lasse den Blick immer wieder über die Linzer Dächer bis zur beeindruckenden Turmspitze des Doms schweifen (der zweithöchste in Österreich) und begrüße den Tag mit einem laut schallenden „let the sunshine in“. Also, nicht wirklich laut schallend, eher so innerlich summend – aber immerhin.

Gestern Nachmittag der erste Abstecher zur AE, Festivalpass am Brucknerhaus abholen, der Donau für ihre Ruhe danken und freundlich zurück lächeln, erstmal einen Kaffe trinken und dann sich irgendwann für ein erstes Ziel entscheiden. Achja, H.R. Giger war/ist auch in der Stadt. Im Lentos gibt’s eine Ausstellung (schon coole Sachen) und gestern Nachmittag war Signierstunde. Nachdem die einleitenden Worte der Veranstalter aber zeitlich etwas ausladend gerieten, musste der Herr Giger auf meine Bekanntschaft verzichten. Er wird verstehen, dass es mich mehr zur Sonne zog als zu seiner Unterschrift. Wie auch immer, erster (und gestern einziger) besuchter Ausstellungsort war die Kunstuniversität, dieses Jahr befüllt und bevölkert von Kunststudenten aus verschiedenen israelischen Hochschulen. Also rein ins Vergnügen und möglichst viel ausprobiert!

Natürlich gibt es auch einiges altes Bekanntes wieder. Visualisierungen von Daten, Visualisierungen von Musik, Musik von Visualisierungen, Videocollagen, irgendwas was irgendwie Geräusche macht, wenn man sich nähert, von dem aber niemand so richtig weiß wie es funktioniert. Aber ebenso natürlich tauchen dann kleine witzige Sachen auf. Zum Beispiel ein Ballett aus durchgeheulten Taschentüchern, die sich zur Filmmusik aus alten amerikanischen Schnulzen der 50er Jahre bewegen. Oder eine Sammlung von Plexiglaswürfeln, auf denen in klaren Worten Anweisungen stehen, deren Befolgung einen gewissen Aha-Effekt nach sich zieht. Da muss man dann irgendwo reinsprechen, draufdrücken oder den Würfel einfach drehen und schon dreht er sich von selbst zurück, bläst einen Luftballon auf oder klopft von innen gegen die Plexiglaswürfelwand. Damit könnt‘ ich mich stundenlang beschäftigen…

Wie die Eröffnungsfeier war? Welche? Irgendwie war ständig irgendwo irgendeine Veranstaltung in der irgendwie die Ars Electronica eröffnet wurde. Oder die Cyber Arts Ausstellung. Oder die Giger Ausstellung. Oder vielleicht auch nur der Spätsommer. Abends war jedenfalls ein Event mit Live-Performances und riesengroßen Projektionen auf alten Industriegebäuden im Innenhof der Tabakfabrik. Die erste Hälfte sehr beeindruckend, eine Kombination aus Videoinstallation, Tänzern und „Performern“, Interaktion und einem Stahlfederinstrument. Letzteres gespielt mit diversen Stäben und Hämmern, bei Berührung oder heftiger Gewalteinwirkung erzeugte es diverse elektronische Tonkaskaden. Vor diesem großen Spektakel eine… wieauchimmermansowas nennt… Dingsbums, bei der die Leute auf dem Platz von vorher nicht wahrgenommenen Kameras gefilmt wurden. Diese Bilder dann in 50m Breite auf der Häuserwand, kombiniert mit einem Fadenkreuz, mit dem ein unsichtbarer Künstler (oder vielleicht war’s auch nur der Praktikant) den einen oder die andere imaginär ins Jenseits beförderte. Anfangs noch eine große Gaudi, man sieht sich im Fernsehen und winkt instinktiv. Je länger es dauerte (und es dauerte eine ganze Weile), desto mehr kam das Gefühl von „verdammt, wir werden hier gefilmt und niemand kann sich dem entziehen“ auf. Also das Thema mal nicht so intellektuell oder technisch nahe gebracht, sondern intuitiv und erlebbar. Fand ich sehr gut.

Der dritte Act war leider zu sperrig für ein großes Open-Air-Happening. Das Thema Menschenrechte anhand der Geschehnisse auf dem Tahirplatz zu beleuchten ist ein sehr wichtiges und Respekt verdienendes Ansinnen. Allerdings sollte es eher in konzentrierterem Rahmen angegangen werden, nicht als dritte „Performance“ auf einer weitläufigen Open-Air-Veranstaltung. Meine Meinung. Der Platz leerte sich dann auch und gegen Ende der Bilder- und Toncollage ließen sich die aufmerksamen Zuschauer an einer Hand abzählen. Der Rest hatte sich den Bierständen zugewandt. Oder – um kein allzu proletisches Licht auf die Besucher zu werfen – den Speakers‘ Corners, die an anderer Stelle auf dem Gelände aufgebaut waren. Hyde Park Feeling mitten in Linz.

Aussagekräftige Bilder von der Ars Electronica sind etwas schwierig, da vieles nicht statisch ist oder sich in Dimensionen bewegt, die den 800px Rahmen dieser website weit sprengen. Deswegen eine unsortierte und nahezu -reflektierte Galerie einiger Schnappschüsse des ersten Tages:

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